Ein einzelner Facebook-Post lässt Thüringen beben: Ein Richter aus Gera beschimpft Sinti und Roma als „Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche“ – und setzt damit eine ebenso juristische wie politische Lawine in Gang.
Ein Post, der die Republik erschüttert

Im Frühjahr 2023 taucht in einer lokalen Facebook-Gruppe ein Kommentar auf, der Sinti und Roma als „Rotationseuropäer“ verunglimpft. Absender: ein hochrangiger Richter aus Gera. Binnen Stunden kochen die Emotionen hoch, Aktivist*innen sprechen von offener Hetze.
Bürgerrechtsorganisationen und Roma-Verbände verfassen Strafanzeigen, während sich Politiker*innen quer durch alle Parteien empört zeigen. Aus Empörung wird schnell die Forderung nach handfesten Konsequenzen – doch wie laut darf Justitia überhaupt bestrafen?
Weiter geht’s mit: Wer ist der Mann im Talar – und warum wurde sein Post erst jetzt brisant?
Der Mann hinter dem Schlagwort

Bei dem Beschuldigten handelt es sich um den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Gera, Jahrgang 1969, bislang eher für strenge Asylurteile bekannt als für Social-Media-Auftritte. Kolleg*innen beschreiben ihn als „akribisch, aber kantig“.
Seinen folgenreichen Kommentar soll er nach Dienstschluss geschrieben haben – mit Klarnamen. Als das Posting viral geht, löscht er es zwar, doch Screenshots circulieren bereits landesweit. Die Frage im Raum: Privatmeinung oder dienstliche Verfehlung?
Und so kommt es: Vom Facebook-Fehltritt zum Ermittlungsverfahren – eine juristische Achterbahn beginnt …
Anklage wegen Volksverhetzung

Im Sommer 2024 erhebt die Staatsanwaltschaft Gera Anklage wegen Volksverhetzung. Begründung: Der Post stelle Roma und Sinti als kriminelle Gruppe dar und greife ihre Menschenwürde an.
Während vor dem Gerichtsgebäude Demonstrierende trommeln, feiern Aktivistinnen die Anklage als Meilenstein gegen Antiziganismus. Doch hinter den Kulissen warnen Strafrechtlerinnen: Die Hürden für § 130 StGB sind hoch.
Denn: Das Landgericht Gera legt den Grundstein für die nächste Überraschung …
Landgericht: „Geschmacklos, aber nicht strafbar“

Am 24. Oktober 2025 entscheidet das Landgericht Gera, kein Hauptverfahren zu eröffnen. Die Richter bezeichnen den Post als „geschmacklos und diffamierend“, sehen aber keine Volksverhetzung – die Äußerung sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Empörung folgt auf dem Fuß: Roma-Verbände sprechen von einem „Schlag ins Gesicht“, die Thüringer Landesregierung prüft Disziplinarmaßnahmen. Gleichzeitig atmen konservative Jurist*innen auf und verweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Doch damit nicht genug: Das Oberlandesgericht Jena wird zum Zünglein an der Waage …
OLG Jena bestätigt Freispruch von vornherein

Nur fünf Tage später weist das OLG Jena die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zurück. Kernargument: Die Formulierung greife zwar ein Minderheitenstereotyp auf, erreiche aber nicht das „qualifizierte Angriffsniveau“ des § 130.
Juristische Spitzfindigkeit oder struktureller blinder Fleck? Während das Urteil endgültig ist, flammt die Debatte um Reformen des Volksverhetzungsparagrafen neu auf. Landespolitiker*innen fordern härtere Regeln gegen rassistische Hassrede.
Und nun? Ein Richter bleibt straffrei – doch der politische Flächenbrand brennt weiter …
Politische Nachbeben im Justizministerium

Der Richter arbeitet inzwischen als Referent im Thüringer Justizministerium. Oppositionsparteien verlangen seine sofortige Suspendierung, das Ministerium kündigt eine Dienstaufsichtsbeschwerde an.
Gleichzeitig planen Roma-Verbände Kundgebungen zum Holocaust-Gedenktag und erinnern an 500 000 ermordete Sinti und Roma. „Rotationseuropäer“ wird zum Symbolwort für alltäglichen Antiziganismus – und für ein Justizsystem, das an seine Grenzen stößt.
Bleibt die Frage: Wie reagiert der Mann, der all das auslöste?
Der Richter bricht sein Schweigen

Über seinen Anwalt lässt der Jurist erklären, er bedaure „jede mögliche Missverständlichkeit“, halte den Vorwurf des Rassismus jedoch für „abwegig“. An Rücktritt denkt er nicht – er sieht sich als Verteidiger der Meinungsfreiheit.
Die Roma-Gemeinde zeigt sich enttäuscht, Menschenrechtsgruppen kündigen eine Kampagne gegen Hate Speech an. Während Thüringen das Disziplinarverfahren vorbereitet, bleibt offen, ob der Richter seine Robe jemals wieder anlegt – oder ob der öffentliche Druck am Ende doch stärker ist.
Bleiben Sie dran – wir verfolgen, wie sich Thüringens Justiz dem Ruf nach Veränderung stellt.
