Ein Netzwerk von mehr als 210 Lagern, Zehntausende verschleppte Minderjährige – und ein System, das sie zu künftigen Kämpfern formen soll: Neue Recherchen entfachen Empörung über Russlands Umgang mit ukrainischen Kindern.
Das geheime Lager-Imperium

Die jüngste Studie einer US-Eliteuniversität entblößt ein gewaltiges Geflecht von Um- und Ausbildungslagern, das sich von Murmansk bis zur Krim zieht. Mehr als 210 Standorte sollen inzwischen aktiv sein, vollgestopft mit Kindern zwischen acht und 17 Jahren, die seit Beginn der Invasion 2022 entführt wurden.
Schockierend ist nicht nur die Zahl, sondern auch die Geschwindigkeit: Allein 2025 wurden laut Menschenrechtlern über 11 000 weitere Kinder in Buskolonnen und Militärmaschinen außer Landes gebracht, oft ohne von ihren Familien Abschied nehmen zu dürfen.
Doch wie verschwinden die Minderjährigen überhaupt? – der nächste Abschnitt beleuchtet die perfiden Methoden.
Von Ferienreisen zur Deportation

Offizielle Einladungen zu „Sommercamps an der Schwarzmeerküste“ klingen harmlos, dienen aber als Köder. Sobald die Kinder die Grenze überqueren, werden Pässe eingesammelt, Handys konfisziert – eine Rückkehr ist praktisch unmöglich.
Selbst Waisen und Pflegekinder aus Frontstädten wie Mariupol und Cherson werden in Eilverfahren zu Russlands Staatsbürgern erklärt. Unter dem Deckmantel der „Rettung“ verschwinden sie tief im Landesinneren, teilweise über 3 000 Kilometer vom Elternhaus entfernt.
Doch das Ankommen ist erst der Anfang – was danach im Lageralltag geschieht, zeigt das nächste Kapitel.
Drill statt Ferienlager-Idylle

Morgens salutieren Achtklässler vor Offizieren, nachmittags üben Zehntklässler das Montieren von Kalaschnikows. Schießen, Granatenwerfen, Schützengraben-Training – all das steht auf dem Stundenplan von mittlerweile 39 militärisch geführten Lagern.
Neu hinzugekommen ist die Arbeit an Drohnen: Jugendliche löten Platinen, testen Antriebe und programmieren Zielsoftware. Ehemalige berichten, sie müssten täglich sechs Stunden in provisorischen Werkhallen schuften, bewacht von Soldaten in Tarnuniform.
Militärischer Drill allein reicht jedoch nicht – die Köpfe der Kinder werden gleichzeitig umerzogen. Darum geht es gleich.
Schulbank der Indoktrination

Geschichtsunterricht wird zum Propagandafeldzug: Lehrbücher zeichnen die Ukraine als „künstliches Gebilde“, Landkarten tilgen ihre Grenzen. Jeden Morgen ertönt die russische Hymne, zwischendurch rezitieren die Kinder Gedichte über Zarenruhm und „Heimatverteidiger“.
Psychologen warnen vor einer systematischen Identitätsauslöschung: Wer Heimweh zeigt oder Ukrainisch spricht, muss Strafdienste verrichten. Belohnungen gibt es für Denunziation und perfekte Russisch-Aufsätze.
International bleibt das nicht ohne Folgen – die Weltpolitik schaltet sich ein, wie der nächste Abschnitt zeigt.
Haftbefehle und diplomatische Eiszeit

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag stellte Haftbefehle gegen Wladimir Putin und Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa aus. EU-Staaten verhängen neue Sanktionen, die UNO debattiert über eine Sondertribunal-Resolution.
Moskau kontert mit Propaganda: Das Außenministerium nennt die Vorwürfe „Horrormärchen“, präsentiert Listen mit angeblich geretteten Kriegswaisen und verweist auf „nur 339 nachgewiesene Fälle“. Die Fronten verhärten sich – doch es gibt zarte Hoffnungsschimmer.
Wie Familien dennoch wieder zusammenfinden und welche Rolle geheime Verhandler spielen – das enthüllt die letzte Folie.
Hoffnung und Heimkehr – ein neuer Weg?

Dank Vermittlungen Katars, Südafrikas und des Vatikans gelang es der Ukraine, 1 605 Kinder zurückzuholen. Meist geschieht die Übergabe in neutralen Hotels in Istanbul oder an weißrussischen Grenzposten, begleitet von Ärzten und Psychologen.
Jede Rückkehr ist ein Triumph – und ein Mahnmal. Kiew fordert die Freilassung mindestens der Hälfte aller Vermissten als Vorbedingung für künftige Friedensgespräche. Solange das nicht geschieht, bleibt die Weltöffentlichkeit alarmiert – und der Kampf um die Kindheit dieser Generation geht weiter.
