Hat es einen echten Jack an Bord der Titanic gegeben?

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James Camerons Film Titanic beruht zwar auf wahren Ereignissen, dennoch sind die Charaktere von Jack und Rose nur fiktive Filmprotagonisten. Und obwohl es die Figur des Jack Dawson, so nicht in echt auf dem Schiff gegeben hat, gab es ein Schicksal, dass mindestens genauso fesselnd und tragisch gewesen ist, wie im Kinofilm dargestellt.

Es handelt sich um die Geschichte von John Borland Thayer II. Der aus einer sehr wohlhabenden Familie stammende John war erst 17 Jahre alt, als die Titanic 1912 in See stach. Das wiederum bedeutete aber, dass er nicht wie der Film Jack unter Deck untergebracht war.

1. Deutliche Überlebenschancen

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Die Unterbringung der ersten Klasse, hatte zur Folge, dass von den 319 Passagieren „nur“ 120 ums Leben gekommen sind. John Borland Thayer II. hatte somit deutlich bessere Überlebenschancen als Jack Dawson aus dem Film Titanic. Traurigerweise überlebten von den 710 Passagieren der dritten Klasse nur knapp ein Viertel, ein deutlicher Unterschied.

In Cameron’s Film aus dem Jahr 1997 befindet sich eine dramatische Szene, in der die Filmfigur Jack während dem Untergang des Schiffes hinter einem Tor eingesperrt ist. Dieses Tor trennt die Unterbringung der dritten Klasse von den Übrigen. Obwohl es sich um eine komplett fiktive Szene handelt, hat sich an Bord dennoch ein ähnliches Drama um John Borland Thayer ereignet.

2. Regisseur James Cameron

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Für den Kinofilm Titanic ließ sich der Regisseur James Cameron von Überlebenden der Katastrophe und deren Erfahrungsberichte inspirieren. Es existiert eine Vielzahl an Erfahrungsberichten und Interviews über das Leben an Bord des Schiffes, aber auch über die Geschehnisse in der Katastrophen-Nacht.

Auch ein selbst veröffentlichtes Buch von John Thayer gibt Einblicke in die Schicksale der Menschen und deren Überlebenskampf während dem Sinken des Schiffes. Tatsächlich wurde die RMS Titanic am 31.05.1911 vom Stapel gelassen. Die Jungfernfahrt, die in einer verheerenden Katastrophe enden sollte, fand erst ein Jahr später im Jahr 1912 statt.

3. RMS Titanic

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Die RMS Titanic war das prächtigste und vor allem auch das größte Schiff seiner Zeit. Es handelte sich nicht nur um ein Wunderwerk der Technik, sondern auch um das luxuriöseste Schiff, das bis zu diesem Zeitpunkt jemals zu Stapel gelassen wurde. Zumindest schwelgten die Passagiere der ersten Klasse in Luxus.

Zu den angebotenen Köstlichkeiten gehörten unter andere gebratene Entenküken, Gänseleber und als Nachspeise Pfirsiche in Chartreuse-Gelee. Vielleicht gehörten diese Speisen auch am Abend des 14. April 1912 zum letzten Menü, bevor die Titanic um ca. 23:40 Uhr mit einem Eisberg kollidierte.

4. Verpflegung an Bord

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Film: A NIGHT TO REMEMBER

Natürlich sind die Speisen in der dritten Klasse nicht so exquisit gewesen, wobei sich Roastbeef und Obst dennoch sehen lassen konnten und für eine Reise in der dritten Klasse schon etwas Besseres gewesen sind. Schließlich wurde auf anderen Schiffen von Passagieren niedrigen Standes erwartet, selber für die Verpflegung aufzukommen.

Allerdings war nicht alles an Bord für die Gäste der dritten Klasse so vornehm. Gespart wurde unter anderem an der Privatsphäre, was vor allem die Tatsache untermauert, dass für die 710 Passagiere nur 2 Bäder zur Verfügung standen. Als Abfahrtshafen kam das britische Southampton ganz gelegen, da es von hier nur ein kurzes Stück über den Ärmelkanal nach Cherbourg in Frankreich sind.

5. Southampton

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In Southampton sollte auch von John Borland Thayer II. an Bord gehen, genauso, wie es Jack Dawson im Film getan hatte. „Mein Vater, John B. Thayer, zweiter Vizepräsident der Pennsylvania Railroad, meine Mutter, Marian Longstreth Morris Thayer, das Dienstmädchen meiner Mutter, Margaret Fleming, und ich waren alle in einer Gruppe, die von Southampton aus 1. Klasse segelte.“

Erinnerte sich Thayer 1940 in seinem Buch A Survivor’s Tale. „Ich bewohnte eine Kabine neben der meines Vaters und meiner Mutter auf der Backbordseite des C-Decks, und da ich 17 Jahre alt war, war ich natürlich überall auf dem Schiff.“ beschrieb er seine Aufregung als er an Bord ging.

6. Reue

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Natürlich wird Thayer im Nachhinein bereut haben, dass er an Bord gegangen ist. Bei der letzten Station vor der Atlantiküberquerung in Queenstown sind 7 Menschen von Bord gegangen. Wahrscheinlich wird sich Thayer gewünscht haben, dass seine Familie ebenfalls von Bord gegangen wäre und so der Katastrophe hätte entkommen können.

Tatsächlich ist die Figur des Jack Dawson, gespielt von Leonardo DiCaprio, eine reine Erfindung von James Cameron. Einen echten J. Dawson hat es aber an Bord gegeben und dieser teilt das gleiche Schicksal wie Jack aus dem Film. Die Rede ist von Joseph Dawson, an den heute noch ein Grabstein in Kanada erinnert.

7. Joseph Dawson

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Der Ire Joseph Dawson war gerade einmal 23 Jahre alt, als er sein Leben verlor. Nur wenige Tage vor der Jungfernfahrt hatte er sich auf der Titanic als Trimmer zum Dienst gemeldet. Als Trimmer war man dafür verantwortlich, dass das Schiff im Gleichgewicht blieb. Die Hauptaufgabe war es, die Kohle richtig zu stapeln und zu den Heizern zu tragen. Die körperlich anstrengende und schmutzige Arbeit fand tief im Bauch des Schiffes statt. Zum Zeitpunkt des Untergangs war Joseph Dawson außer Dienst, was ihm aber leider nicht das Leben retten sollte.

Josephs bekam den traurigen Namen „Body 227“, als man ihn aus dem eiskalten Atlantik gezogen hatte. Nur dem Umstand, dass an in seiner Jackentasche eine Karte der National Sailors and Firemans Union fand, die seine Identität preisgab, war es zu verdanken, dass er identifiziert werden konnte. Wahrscheinlich hatte er zum Zeitpunkt des Sinkens keine Chance mehr eines der wenigen Rettungsboote zu erreichen oder es befanden sich bereits alle im Wasser. Den Sprung ins eiskalte Wasser überlebten nur wenige Passagiere. So teilten also beide J. Dawsons das gleiche nasse Schicksal.

8. Der große Unterschied

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Der große Unterschied zwischen den beiden Dawsons sind allerdings die Tätigkeiten auf dem Schiff selber. Während Jack als Passagier der dritten Klasse eine Überfahrt nach Amerika gewonnen hatte, so war Joseph beruflich als Besatzungsmitglied an Bord. Nachdem der Film Titanic 1997 in den Kinos angelaufen war, wurde auch das Schicksal des J. Dawson aus Halifax bekannt und so war es wenig verwunderlich, dass viele Zuschauer die Geschichten durcheinander brachten.

Josephs Grab in Halifax bekam so eine ganze Menge mehr Aufmerksamkeit. Wenn man James Cameron glaubt, sind die Parallelen allerdings reiner Zufall, was viele Fans aber nicht davon abhielt, das Grab zu besuchen und Blumen niederzulegen.

9. Wahrheit kam ans Licht

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Weder Jack noch Joseph können allerdings wahrheitsgemäß wieder geben, was in der Nacht vom 14. April 1912 passiert ist. Den detaillierten Berichten von John Thayer ist es aber zu verdanken, dass etwas Wahrheit ans Licht kommt. Durch die lebendigen Beschreibungen der Ereignisse dieser Katastrophe können wir nachempfinden, was die Passagiere durchmachen mussten. Thayer beobachtete auch, dass die See so ruhig wie ein „Mühlenteich“ gewesen war. Weiter erinnerte er sich: „Ich trat in mein Zimmer, um meinen Schlafanzug anzuziehen, in der Erwartung, eine weitere herrliche Nachtruhe zu haben, wie die vier vorangegangenen.“ Ein Trugschluss, wie sich später herausstellen sollte.

„Ich zog meine Uhr auf – es war 23:45 Uhr – und wollte gerade ins Bett gehen, als ich leicht zu schwanken schien. Ich erkannte sofort, dass sich das Schiff nach Backbord gedreht hatte, als ob es sanft geschoben worden wäre … Fast augenblicklich stoppten die Motoren.“ Beschreibt Thayer die ersten Eindrücke des Aufpralls. Als das Schiff mit einem Eisberg kollidierte, war das Schicksal der Titanic bereits besiegelt. Sechs schmale Risse riss der Aufprall in den Schiffsrumpf und sofort strömte das Wasser in die geschlossenen Abteilungen. Die wasserdichten Abteilungen waren durchbrochen und das Schiff geriet aus dem Gleichgewicht.

10. Der Untergang

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Thayer selber war sich dem Ernst der Lage aber dennoch nicht bewusst. „Ich eilte in meinen schweren Mantel und zog meine Pantoffeln an. Ganz aufgeregt, aber ohne zu denken, dass etwas Ernstes passiert war, rief ich meinem Vater und meiner Mutter zu, dass ‚ich an Deck gehe, um den Spaß zu sehen.“ erinnert er sich in seinem Buch.

Auf dem Deck hatte sich bereits eine große Ansammlung von Passagieren versammelt und er erfuhr, dass das Schiff mit einem Eisberg zusammengeprallt ist. In diesem Moment hatte sich die Titanic bereits zu neigen begonnen.

11. Gespräch mit Thomas Andrews

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Über ein Gespräch mit Thomas Andrews, dem ranghöchsten Schiffskonstrukteur von Harland Wollf, erinnerte sich Thayer wie folgt: „Mr. Andrews sagte uns, er gebe dem Schiff nicht viel mehr als eine Stunde zu leben. Wir konnten es kaum glauben, doch wenn er es sagte, musste es wahr sein.

Niemand war besser qualifiziert, es zu wissen.“ Die chaotische Situation beim Zuwasserlassen der Rettungsboote beschreibt Thayer so: „Niemand kannte seine Bootsposition, da keine Rettungsbootübung abgehalten worden war.“ In dieser undurchsichtigen Situation verlor Thayer schließlich seinen Vater, den er dort das letzte Mal zu Gesicht bekommen hatte.

12. Großes Chaos

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Film: Titanic

Für Thayer sahen die Rettungsboote alles andere als stabil aus und ein Kentern der Boote war höchst wahrscheinlich. Die Situation wurde immer unübersichtlicher und das Chaos immer größer. „Es war wirklich jeder für sich“ steht im Buch geschrieben. Als jemand noch ein paar Schüsse in die Luft abfeuerte, herrschte Anarchie an Bord. Spätestens jetzt war klar, dass das Schicksal der Titanic besiegelt war und es nur noch eine Richtung für das damals größte Schiff der Welt geben konnte, und zwar in Richtung des Meeresgrunds.

„Es war jetzt etwa 2:15 Uhr nachts. Wir konnten sehen, wie das Wasser das Deck hochkroch, da das Schiff mit dem Kopf ziemlich schnell nach unten ging. Das Wasser stand direkt bis zur Brücke. Es müssen über 18 Meter über dem Bug gewesen sein.“ Es gab nur noch die Möglichkeit, von Deck zu springen. Über den entscheidenden Moment schreibt Thayer: Wir hatten jetzt keine Zeit zum Nachdenken, nur zum Handeln. Wir schüttelten uns die Hände und wünschten uns gegenseitig Glück. Ich sagte [zu Long]: ‚Geh vor, ich bin gleich bei dir.‘ Ich warf meinen Mantel ab, als er über die Reling kletterte und mit dem Gesicht nach unten zum Schiff rutschte.“

13. Ein großes Schicksal

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Einem umgestürzten Rettungsboot hatte es Thayer zu verdanken, dass er nicht im dunklen Atlantik versank. Er klammerte sich mit anderen Überlebenden an das schwimmende Rettungsboot und konnte von hier aus beobachten, wie die Titanic mitsamt der verbliebenen Besatzung und den restlichen Passagieren versank. Sein Begleiter Long hatte leider nicht so viel Glück. Thayer bemerkte, dass nicht ein einziges Rettungsboot umgekehrt war, um die restlichen Passagiere aus dem Wasser zu retten und schreibt in seinem Buch voll Bitterkeit: „Hätten sie umgedreht, wären einige hundert mehr gerettet worden. Niemand kann sich das erklären.“

„Wir haben gebetet und Hymnen gesungen.“ Erinnert sich Thayer an seine Zeit am Rettungsboot. Inzwischen waren sie 28 Überlebende und mussten andere daran hindern, es ihnen gleichzutun, damit das Boot nicht kentert. Gerade als die Dämmerung einbrach, kamen zwei Rettungsboote zurück, um nach Überlebenden zu suchen. Thayers Mutter und ihre Dienstmagd waren in einem der Boote. Mehrere Stunden vergingen, bis die Überlebenden von einem anderen Schiff gerettet werden konnten. Mit großem Glück hatte John Thayer überlebt, ein Schicksal, das von den 2.200 Menschen an Bord nur 1.500 teilen konnten.