Gender-Verbot an Schulen: Ein Zeichen gegen Vielfalt?

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Ein Beschluss sorgt für Gesprächsstoff – nicht nur im Bildungswesen, sondern auch darüber hinaus. In Sachsen-Anhalt hat das Bildungsministerium eine klare Linie gezogen: Gendern mit Sonderzeichen ist ab sofort an Schulen verboten. Das betrifft nicht nur den Unterricht, sondern auch offizielle Schreiben.

Die Entscheidung hat eine politische Debatte ausgelöst, die tiefgreifender ist als es auf den ersten Blick scheint. Was darf Sprache – und was nicht? Während einige applaudieren, sehen andere darin einen Rückschritt. Doch was genau steht hinter dem Verbot, welche Regeln gelten jetzt – und was bedeutet das für Lehrkräfte, Schüler und die Gesellschaft insgesamt? Dieser Artikel beleuchtet die Reaktionen, Folgen und Hintergründe dieses umstrittenen Vorstoßes.

1. Ein Beschluss mit Signalwirkung

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Die Entscheidung des Bildungsministeriums kam nicht laut, aber sie wirkt weit: Sonderzeichen wie Sternchen, Doppelpunkte oder Unterstriche sind im Schulbetrieb von Sachsen-Anhalt jetzt offiziell tabu. Was wie eine kleine sprachliche Regeländerung aussieht, wird von vielen als gesellschaftliches Signal verstanden.

Dabei bleibt die ministeriale Linie klar: Man wolle sich an das offizielle Regelwerk der deutschen Rechtschreibung halten, so Bildungsministerin Eva Feußner. Und doch ist es genau dieser Verweis auf sprachliche Normen, der heftige Debatten entfacht. Denn hinter jeder Regel steckt auch eine Haltung. Ob das Genderverbot ein sachlicher Schritt zur Klarheit ist – oder ein ideologisches Zeichen gegen sprachliche Vielfalt – das bleibt umstritten. Und genau darin liegt die Sprengkraft der Entscheidung.

2. Rückhalt für die Ministerin – aber nicht von allen

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Die Reaktionen auf das Genderverbot fallen sehr unterschiedlich aus – und spalten selbst die Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt. Während Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) sich auf den Rat für deutsche Rechtschreibung beruft, kritisieren Koalitionspartner wie die SPD die Entscheidung scharf. Diese sehe darin eine falsche Prioritätensetzung, gerade angesichts von Unterrichtsausfällen und Lehrermangel.

Die FDP wiederum mahnt zur Gelassenheit und erklärt, es gehe nicht um Kulturkämpfe, sondern um die Anwendung geltender Normen. Genau das sorgt jedoch für Kritik von außen: Oppositionsparteien wie die Grünen sehen in dem Verbot ein ideologisches Signal – und werfen dem Ministerium vor, sich unnötig in eine politische Debatte zu begeben. Die Uneinigkeit zeigt: Sprache ist längst mehr als Grammatik – sie ist Politik.

3. Kritik aus der Bildungspraxis

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Nicht nur Politiker, auch Bildungsverbände und Lehrkräfte äußern sich kritisch. Besonders deutlich wird dabei: Die Realität im Klassenzimmer ist oft differenzierter als es ein Erlass vermuten lässt. Viele Lehrer*innen berichten, dass Schüler längst mit verschiedenen Formen geschlechtergerechter Sprache in Kontakt kommen – sei es über Medien, soziale Netzwerke oder den späteren Berufsalltag.

Ein pauschales Verbot könnte hier eher für Verwirrung sorgen als für Klarheit. Vor allem in höheren Jahrgangsstufen wird diskutiert, ob Schüler nicht zumindest über die Vielfalt sprachlicher Formen aufgeklärt werden sollten. Denn: Wer Sprache einschränkt, schränkt auch Diskussionsräume ein – ein zentraler Aspekt schulischer Bildung. Das Ministerium hingegen bleibt bei seiner Linie und betont: Regeln müssen gelten – auch im Deutschunterricht.

4. Was genau verboten wurde – und was nicht

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Das Verbot betrifft ausschließlich Sonderzeichen im Wortinneren, die zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen genutzt werden: Sternchen (Bäcker*in), Doppelpunkt (Lehrer:in) und Unterstrich (Sportler_in). Diese Formen gelten laut Ministerium als Verstoß gegen die amtliche Rechtschreibung – und dürfen deshalb im Unterricht sowie in offiziellen Schreiben nicht mehr verwendet werden.

Nicht betroffen sind hingegen Doppelnennungen wie „Schülerinnen und Schüler“ oder neutrale Begriffe wie „Lehrkraft“ oder „Lehrperson“. Diese gelten weiterhin als regelkonform und dürfen verwendet werden. Auch Unterrichtsmaterialien von Drittanbietern, die gegenderte Formen enthalten, dürfen laut Ministerium genutzt werden – solange keine inhaltlichen Fehler vorliegen. Diese Abgrenzung zeigt, dass es sich nicht um ein vollständiges Genderverbot, sondern um eine Einschränkung bestimmter Schreibweisen handelt.

5. Grammatik, Normen und Missverständnisse

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Das Bildungsministerium betont, dass man mit dem Verbot schlicht der Rechtschreibnorm folgen wolle. Diese sei klar: Sonderzeichen im Wortinneren gehören laut dem Rat für deutsche Rechtschreibung nicht zur amtlichen Orthografie. Zudem könnten sie zu grammatikalischen Schwierigkeiten führen – zum Beispiel bei der Verwendung von Artikeln oder Pronomen.

Doch Kritiker sehen darin eher ein vorgeschobenes Argument. Denn Sprache befindet sich im Wandel, und gerade in schulischen Kontexten sollte der Umgang mit sprachlicher Vielfalt kein Tabu sein. Ob sich die offiziellen Regeln künftig ändern, bleibt offen – doch derzeit lautet die Linie: Was nicht im Duden steht, wird in Sachsen-Anhalts Schulen nicht gelehrt. Dass dies auch zu Irritationen führt, ist eine Folge, die viele in der Bildungslandschaft bereits jetzt beobachten.

6. Gendern und Bewertung: Zwischen Regeln und Realität

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Interessant ist auch die Umsetzung der neuen Regel in der Praxis. Denn ganz so hart, wie es das Verbot vermuten lässt, ist der Ton im Klassenzimmer offenbar nicht. Lehrerinnen und Lehrer wurden dazu angehalten, bei der Bewertung von gegenderten Texten mit Augenmaß vorzugehen.

Laut Ministerium sollen Verstöße nur bei gehäuftem und schwerwiegendem Auftreten zu Punktabzug führen – maximal zwei Notenpunkte. Die Empfehlung: Formen markieren, aber nicht automatisch bestrafen. Diese Vorgehensweise zeigt, wie stark die Regelung von individueller Auslegung abhängt – und dass Lehrkräfte in eine sensible Entscheidungsposition geraten. Zwischen pädagogischem Auftrag, Sprachentwicklung und politischer Richtlinie entsteht eine Grauzone, die für Unsicherheit sorgen kann – bei Schülern wie bei Lehrkräften.

7. Zwischen Sprachpflege und Kulturkampf

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Die Debatte um das Genderverbot zeigt, wie stark Sprache heute aufgeladen ist. Was früher als rein grammatikalische Frage galt, ist heute ein Symbol gesellschaftlicher Werte. Während das Ministerium auf Klarheit und Normen pocht, sehen viele in der Entscheidung ein Zeichen für Ausgrenzung und Rückschritt.

Gendergerechte Sprache soll Vielfalt abbilden – kein ideologisches Statement sein. Dass dieser Anspruch nun durch formale Vorgaben eingeschränkt wird, lässt viele befürchten, dass nicht nur Worte, sondern auch Sichtweisen ausgegrenzt werden. Was bleibt, ist eine Diskussion, die über das Klassenzimmer hinausgeht. Denn am Ende stellt sich die Frage: Soll Schule nur korrektes Schreiben lehren – oder auch gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln? Die Antwort darauf wird auch in Zukunft nicht eindeutig sein.

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