Wenn wir an die Amisch denken, denken wir an zurückgebliebene Menschen, die in Kutschen statt motorisierten Vehikeln fahren und meist schwarze Kleidung tragen. Mit Lincoln-Bärten ausgestattet verachten sie die Technologie und alles Leben und Moderne. Die religiöse Tradition sieht diese Modernität nicht vor. Das heißt aber nicht, dass sie sie nicht fahren dürfen, sie können es bloß einfach nicht.
Während wir es eine Selbstkasteiung ansehen, wird hier eine, man muss schon sagen, Jahrhunderte alte Tradition fortgeführt, die auf Purismus basiert und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Leben, anstatt überleben. Natürlichkeit statt Darstellung. Werte statt Anpassung. Familie und Gesellschaft anstatt Status und Wohlstand.
1. Geschichte und Population
Der Begriff des „Amisch“ geht zurück auf den Begründer Jakob Ammann, einen schweizer Prediger zurück. Aus der reformatorischen Täuferbewegung der Mennoniten, trennten sich die Amischen 1693. Hier begann auch die Reise in Richtung Pennsylvania. Denn hier war die Glücksschmiede, die Freiheit und die Freizügigkeit der Religiosität geboten. Doch längst sind die meisten Amisch in Ohio ansässig.
Waren es 1920 gerade einmal 5000 Menschen dieser Kultur, sind es im Jahr 2015 bereits stolze 300.000 Amische, die in 32 Staaten der USA ansässig sind. Man sagt sich, dass Gott sich viele Nachkommen wünscht und gleichzeitig kann das Familienunternehmen durch die eigene Sippe gesichert werden.
2. Styling
Sollten sie demnächst in die USA fliegen und jemanden mit Lincoln-Bart, Kutsche und gedeckter Kleidung sehen, dann sehen sie vermutlich einen Amisch. Oh ja, wäre da nicht die moderne Architektur außen rum, könnte man denken, man hätte eine Zeitreise ins 17. Jahrhundert gemacht, denn grelle Farben oder auch Muster sind absolut verpönt in dieser Kultur.
Wenn man sie sieht, sieht man Männer mit langen Bärten aber nie mit einem Schnauzer. Die sind nicht üblich. Eher gesagt tabu aber absolut angebracht sind Bärte angelehnt an einigen Männern aus der Bibel. Hier sieht man, dass der religiöse Aspekt eine große Rolle spielt.
3. Die Regeln
Die Regeln in denen soziale Aspekte verboten sind, werden geregelt in der „Ordnung“. Hier ist geregelt, wie sozial angemessene Kleidung, Technologie und Bildung gelebt werden sollen. Der Titel verrät schon den Hintergrund der Herkunft. Es entstammt der deutschen Ordnung oder auch Disziplin. Doch ist diese Ordnung eher föderal angelegt. Was so viel heißt, dass jede Gemeinschaft sich diese Regeln weniger oder mehr konservativ ausgestalten kann.
Die heranwachsenden Amisch dürfen sich selbst erfahren im Rahmen des „Rumspringa“. Hier dem deutschsprachigen angelehnt, haben sie die Möglichkeit sich etwas auszutoben und dabei außerhalb ihrer Community die Welt zu erkunden, die traditionell nicht üblich ist.
4. Die Bindung fürs Leben
Während die meisten mit konservativem Lebensstil, arrangierte Ehen verbinden, gehört es zum Amisch-Lebensstil nicht dazu die Jugend an einen Ehepartner zu vermitteln oder eine Ehe zu arrangieren. Der Prozess der Partnerfindung erfolgt modern, durch Dating oder Socializing. Der Partner muss innerhalb des Glaubens und aus der eigenen Gemeinschaft kommen. Nachdem es so zu Verwandtschaftsverhältnissen kommen kann, leiden die Amisch häufiger unter atypischen Störungen. Jedoch ist die Krebsrate unter ihnen wesentlich niedriger als bei Amerikanern.
Die Religion soll nicht bloß dominierend sein. Nein, das Paar soll sich kennenlernen und es soll sogar das Bett teilen. Allerdings, voll bekleidet. Hier soll Kommunikation stattfinden. Ja, hier soll gesprochen werden.
5. Ehe
Das Zeitfenster der Eheschließung ist kurz. Kommt es zur Eheschließung, gibt es keine Eheringe, denn diese werden als unnötiger Prunk empfunden, der keinen guten Einfluss auf psychisches und seelisches Wohl ausübt.
Was die Verlobung betrifft, gibt es auch hier ein Zeitfenster. Dieses ist im Frühjahr. Doch das wird geheim gehalten bis zum Sommer. Selbst vor der eigenen Familie. Diese hat dann die Aufgabe, es bis in den Herbst geheim zu halten, bis zum traditionellen Gottesdienst im Oktober. Das Kleid der Braut in Blau oder selten auch Lila, wird eigens gefertigt, wie auch die der Brautjungfern „Newehockers“. Dieses Kleidungsstück trägt die Braut nicht nur zur Hochzeit, sondern wird auch darin begraben.
6. Kommunikation
Amisch sind oft trilingual. Deutsch, Englisch und Pennsylvania(-deutsch) sind die üblichen Sprachen. Diese Sprachen, vielleicht auch in Kombination, sind die gängige Verständigungsweise dieser Kultur, da sie ihre eigentlichen Wurzeln in der Schweiz und Süddeutschland haben. So entstanden nicht nur die Sprachvariationen, die sich auf dem Berner oder elsässischen Sprachraum begründen, sondern auch verschiedenen Gemeinschaftsuntergruppen, von denen einige sehr streng bis zu einigermaßen liberal sind.
Für das alltägliche Leben passiert die Vernetzung innerhalb der Gruppe. Was auch dazu führt, dass sie eigentlich keine Telefone besitzen und auch nicht besitzen dürfen. Aber auch dafür haben sie Lösungen, indem sie frei stehende Telefone installieren. Doch was ist mit medizinischer Notversorgung?
7. Außergewöhnliches
Traditionelle praktizieren die Amisch die sogenannte Taufe der Gläubigen (believers baptism oder Anabaptism), die im Wesentlichen eine Erwachsenentaufe beinhaltet. Der Gedanke dahinter, ist die bewusste Entscheidung für die radikal-reformatorische Bekenntnis, die einen tiefen Glauben voraussetzt.
Was für unsereins etwas ungewöhnlich, aber sehr liebenswert scheint, ist das Singen während der Arbeit und nicht nur da. Auch während der Tätigkeiten im Haushalt trällern die Damen religiöse Lieder. Demut und Bescheidenheit sind zentrale Werte auf die sich die Gemeinschaften stützen und berufen. Als Selbstversorger, mit meist klarer Rollenverteilung fühlen sie sich weit abgeschnitten von der Zivilisation am wohlsten. Es zählt für sie einzig das, was man mit eigenen Händen, eigener Kraft erschafft.
8. Das große Plus der Gesundheit
Betrachtet man die vielen Gebote und Verbote, sollte man eines nicht außer Acht lassen und das ist der gesunde Lebensstil. Rauchen: verboten! Trinken: verboten! Was auch dazu führt, dass die Krankheitsrate 40% niedriger ist als bei den restlichen Amerikanern.
Ich denke, hier kann sich der eine oder andere etwas abschauen. Die Lebensmittel, kommen meist aus eigenem Anbau. Eines der wichtigsten Lebensmittel der Amisch ist Sellerie. Nicht nur auf den Teller kommt er, sondern auch zu Dekorationszwecken wird er sehr geschätzt und eingesetzt. Für Hochzeiten wird besonders viel davon verarbeitet, sodass die Familien ihn eigenständig anbauen. Möchte man wissen, wo die nächste Hochzeit stattfinden wird, ist das eine gute Orientierung.
9. Arbeitsleben und die Teilnahme an gesellschaftlichen Verpflichtungen
Berichten zufolge zahlen Amisch wie alle anderen Bürger auch Steuern. Allerdings keine Sozialversicherungsbeiträge. Demzufolge erhalten sie aber auch keine Leistungen aus solchen Kassen. Bildung im klassischen Sinne, wie es die derzeitige Gesellschaft definiert, ist bei den Amisch nicht so prioritär. Die meisten Amisch-Kinder beenden ihre schulische Karriere nach der achten Klasse. Danach steigen sie ins Berufsleben ein.
Entgegen der landläufigen Meinung dürfen Amisch natürlich auch wählen. Allerdings ist das Interesse am politischen Leben teilzunehmen nicht so weit verbreitet. Womöglich rührt das aus ihrer überwältigenden Überzeugung von Pazifismus. Ihr Verständnis von Vergebung ist zu groß. Ein Amisch würde niemals zum Militär gehen oder sonst irgendeine Beteiligung an Tod oder dergleichen wahrnehmen.
10. Menschliches, Allzumenschliches
Süße Püppchen, mit großen blauen Kulleraugen und pinken Kleidchen: undenkbar! Die Puppen von Amisch-Leuten haben, ähnliche Kleidung in gedeckten Tönen, wie sie selbst und die Puppen keine Gesichter. Das Verständnis der Amisch besagt, dass diese, schlechte Eigenschaften wie Stolz und Eitelkeiten schüren würden. Die Einstellung zu Musik ist ähnlich. Auch die wird als Überbringer von Stolz und Überlegenheit empfunden. Weshalb sie keine Musikinstrumente spielen.
Überhaupt sind Medien nicht sonderlich populär. Es gibt einen speziell für die Gemeinschaft entwickelten PC, der lediglich Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Buchhaltung erledigen kann, jedoch weder die unerwünschten Video- noch Musikfunktion ermöglicht. So können alte Traditionen nicht verletzt werden.
11. Familie, Kultur und Religion
Während ihrer wilden Zeit des „rumspringa“ können die Teenies sich selbst finden und entscheiden, ob sie Anhänger ihrer Kirche bleiben oder nicht. Jedoch ist das nicht ganz so simpel. Denn, ein guter Amisch ist ein gläubiger Amisch. Wer sich gegen diese Tradition entscheidet, wird von der Gemeinschaft und der Familie komplett abgeschnitten. Nicht verwunderlich ist es da, dass sich 90% dafür als dagegen entscheiden.
Diejenigen, die sich davon trennen, sind meist junge Leute, die so sein wollen wie andere. Sie können die strengen Regeln und Verbote nicht verstehen und akzeptieren und verbringen ihr Dasein in anderen Städten, abgeschirmt von der Familie.
12. Arbeitsleben und Technologie
Das Berufsleben der Amisch beginnt schon sehr früh. Die Arbeit selbst ist sehr stark geprägt von Landwirtschaft. Die Gemeinschaften arbeiten nicht bis zu einem bestimmten Alter. Vielmehr verringern Sie ihr Pensum im Alter zwischen 50 und 70 Jahren. Kommen die Herren in ein gewisses Alter werden sie dann von den Frauen umsorgt.
Eigentlich ist Technologie kein großes Thema. Doch erlauben z.B. die Kalona-Amisch Traktoren oder Kühlschränke. Manche sogar Handys.
Für diejenigen, die sich derer nicht bedienen dürfen aber doch irgendwie müssen, gibt es findige Bauern, die den Konservativen Kühlschränke zur Nutzung zur Verfügung stellen, wenn sie keine eigenen besitzen dürfen.
13. Religion, Gebote und die Meidung
Die Gemeinschaften sind de facto Religionsgemeinschaften. Kirchen gibt es offiziell allerdings nicht. Amisch ziehen es vor ihre Zeit mit Freunden zu verbringen. Eines der Gebote verbietet es für Fotos zu posieren, denn es ist ein sogenanntes „geschnitztes Bild“. Wenn Touristen versuchen Bilder zu erhaschen, werden Amisch nicht selten versuchen ihr Gesicht zu bedecken. Die liberalen Gruppen werden sich aber im öffentlichen Raum fotografieren lassen.
Die „Meidung“ dient in der Amisch-Gemeinschaft der Bestrafung für diejenigen, die gegen den religiösen Kodex verstoßen. Mit der „Meidung“ wird der Straftäter an den Pranger gestellt, indem er nicht am Gemeinschaftsleben teilnehmen darf, bis er Buße getan hat. Sehr ernsthafte Verstöße/Verbrechen werden mit der Exkommunikation geahndet.